Zur Realsatire eines Tabus. Grass & das Israel Gedicht
Was war das wieder für ein feines Exempel unvoreingenommener, um die
Sache bemühter Interviewarbeit, das uns die ARD da geliefert hat.
Erst Kleber, mit dem schiefen Gesicht, jetzt Buhrow, mit den falschen
Haaren. Äußerlichkeiten, na klar, die eigentlich keinen
interessieren. Aber genau dann komisch werden, wenn sie mit
informeller Asymmetrie und journalistischer Scheinheiligkeit korrelieren.
Da
sitzt er also, in seinem Atelier, Grass, der viel diskutierte
Nobelpreisträger, der das Gespenst des Antisemitismus unter dem Bett
der Bundesrepublik hervor gescheucht hat. Der ausrangierte Trommler, der Verirrte, der
die letzte Tinte seines nicht voller werdenden Füllers besser für
ein neues Buch verwendet hätte - wie es heißt. Für etwas, das
respektabel gewesen wäre und sein Renommee nicht buchstäblich über
den Jordan geschickt hätte.
Was
gesagt werden muß ist der Titel des unwürdigen Stücks
Literatur, um das es geht. Viel wurde entgegnet, nachdem sich Grass
den Judengram von der Seele geschrieben hatte. Von Faktendrehern
ist die Rede, von absurden Relationen. Das Gedicht sei in der Sache falsch. Aber: von welcher
Sache reden wir?
Das
Tabu, das sei so eine
Sache. Das Tabu Israel-Kritik. Aber: Das gibt es hierzulande
doch gar nicht, gibt Buhrow zu Protokoll. Lächelnd tut er das,
mit Nachsicht gegen den alten Trommler, der da ja scheinbar
ganz absurde Rhytmen anschlägt.
Absurd?
Wirklich? Mir scheint es wie gestern, als die Medien ein
empörtes Donnern zusammen paukten, so laut, dass die Trommeln der
Zustimmung kaum auszumachen waren. Ja, und dies Donnern richtete
sich nicht allein auf die falschen Sachen – es führte, als
brachialsten Ton, die Diffamierung mit sich. Grass sei der
„Prototyp des gepflegten Antisemiten“, so Henrik M. Broder. Und
sein Gedicht gar kein Gedicht, sondern ein „Hasspamphlet aus
Aggressivität und Verwirrung“. So jedenfalls der Präsident des
jüdischen Zentralrates.
Seltsam. Was gesagt werden muss scheint mir gar nicht
Judenfeindlich zu sein. Eher irgendwie besorgt. Besorgt um den Frieden unter den Menschen - aber das ist vielleicht eine abwegige und
verspielte Interpretation. Verteidigungsminister Demisier jedenfalls,
sagt Buhrow, der habe doch Israel klipp und klar kritisiert. Habe
kein Blatt vor den Mund genommen, habe Klartext gesprochen – und da
hat keiner was gegen gehabt. Kritik an Israel? Geht doch. Ganz normal.
Und für eine Sekunde halte ich inne und frage mich: Habe ich da was
verpasst? Aber nein, es wurde ja gesendet und auch jetzt wird der
O-Ton wieder von der ARD hervorgekramt, jenes Zitat, das die
Kritikfähigkeit unserer Gesellschaft belegt, gesprochen vom
deutschen Verteidigungsminister, adressiert an den israelischen
Amtskollegen, dem er, ohne falsche Scham, klipp und klar, in bester
kritischer Manier zu Bedenken gibt: „Eine militärische Eskalation brächte nach meiner Überzeugung nicht kalkulierbare Risiken für Israel, für die Region.“ Puh. Das muss der
israelische Staatsmann erst einmal verdauen.
Und
während ich mich frage, wieso dieser Hinweis basalster Vernunft
überhaupt als Kritik gilt, geht es Buhrow schon wieder
um die Sachen. Und zwar: um die Bedrohungsfrage. Nicht Israel
sei nicht die Bedrohung, sondern der Iran. Gebetsmühlenartig
wird wiederholt, was sich bereits im Unterbewusstsein eines jeden
Deutschen mit TV-Gerät und Kleingeld für die Tageszeitung
eingenistet hat: Das sog. Mullah-Regime bestreite das
Existenzrecht Israels, wolle es gar von der Landkarte tilgen.
Reden
wir also von diesen Sachen. Ehrlich, im Angesicht der Fakten. Doch
weder Buhrow, noch der dem Interview nachgeschaltete Kommentar des
zweiten Chefredakteurs der ARD-Nachrichtenredaktion, Thomas Hinrichs,
können ihrem Anspruch, die Sachen ins korrekte Licht zu rücken,
gerecht werden. Nein: Es ergeht lediglich der Hinweis, dass Iran
bedrohe und Iran die unberechenbare Gefahr in diesem Konflikt
sei. Der unthematische Rest der Richtigstellung, besteht in dem
Versuch eines Psychogramms des Wahrheitsvedrehers Grass.
Selbstgerecht sei der, sehe Kampagnen und Gleichschaltung, wo es gar
keine gäbe. Grass, der Schizophrene, der Trommler mit
Wahnvorstellungen.
Leider
ist das ganze nicht so einfach. Dass Ahmadinejad seit Jahren durch
die westlichen Lande zieht, um den panischen Okzident zu
ent-ängstigen, Interviews gibt, in denen er die tiefe Aversion gegen
die Idee einer Atombombe zum Ausdruck bringt und vor dem
UN-Sicherheitsrat, Rede für Rede, Jahr um Jahr, für die globale,
nukleare Abrüstung wirbt – das alles wird gar nicht erwähnt. Ja,
es scheint gar so zu sein, als wisse das weder Kleber noch Buhrow. Was sie allerdings zumindest wissen sollten, ist, dass die Landkartentilgung Israels so nie angedroht wurde. Sie
beruht - wie so oft - auf einem Übersetzungsfehler, der längst eingeräumt wurde. Und dennoch, nach wie vor, als effektvoller Beweis auf den Zungen und
Stiften der Journalisten geführt wird.
Auch
Helmut Karasek hat sich gemeldet. Und nachdem Reich-Ranicki ihm
jahrelang, im Literischen Quartett, die Butter vom Brot genommen hat,
hat er jetzt Rache geübt und Grass seinen Senf auf die Stulle
geschmiert. Wenn jemand behauptet, 2 mal 2 ergebe 5, sagt Karassek,
solle man sich nicht wundern, wenn die Öffentlichkeit einen des
Rechenfehlers bezichtigt. Eine schöne Analogie. Es fragt sich nur: Wer leidet hier eigentlich an Dyskalkulie?
Die deutsche Presse jedenfalls täte gut daran, sich der Kritik eines Günter Grass ernsthaft zu öffnen. Immerhin besteht die Chance, dass die gängigen Rechenexempel ganz einfach nicht aufgehen.
Die deutsche Presse jedenfalls täte gut daran, sich der Kritik eines Günter Grass ernsthaft zu öffnen. Immerhin besteht die Chance, dass die gängigen Rechenexempel ganz einfach nicht aufgehen.
Sehr geehrter Herr Fischer-Weill,
AntwortenLöschenbitte lassen Sie mich mit einem Gedicht auf Ihre Texte antworten, ausgehend von Joshua Sobols Worten, in Grass brenne die Hölle:
Das Höllenfeuer - gewidmet Joshua Sobol
Da hat er wieder seine Bühne,
der Teufel selbst, die Konkubine,
erscheint uns nun als ein Gedicht.
noch glauben wir an Teufel nicht.
Die Hölle brennt, so sagt Sobol,
in Günther Grass, dem bösen Troll.
Dann ist er ja der Antichrist,
zeigt allen, wie das Böse frißt.
Als erstes frißt es den Verstand,
mit dummen Worten seiner Hand.
Sein Reden gegen jeden Krieg,
ist dumm und dreist und selbstververliebt.
So ekelhaft wie dieser Greis,
ist keiner hier. Ja, ja, ich weiß!
Man muss ihn schlagen, muss ihn treten,
sich jedes Wort von ihm verbeten.
Sein Waffenhass und die Parolen,
hat diesem Grass Verstand gestohlen.
Der Greis kann nur noch Tinte klecksen,
beherrscht ist er von bösen Hexen.
Es gibt ein Land auf dieser Welt,
das Gutes noch zusammenhält.
Und auch mit Waffen für den Zweck,
dass uns das Böse nicht verschreckt.
Die Bösigkeit, sie liegt beim Feind,
das war und bleibt, was uns vereint.
Und ändern sich auch Namen, Länder,
das Böse bleibt, was wir verändern.
Die Guten bomben doch nicht alles,
nur was sie stört im Fall des Falles.
Das hat der Teufel nicht bedacht:
in Teheran kommt bald die Nacht!
Und das, was uns der Dichter spricht,
steht dann in einem anderen Licht.
Man wird es sehen, nach dem Krieg,
wir haben die Iraner lieb!
Die Toten sind nur böse Menschen,
die uns mit Bösigkeit begrenzen.
Da helfen Bomben, Kriege, Waffen,
um Ordnung in der Welt zu schaffen.
Es bleibt dabei: der Feind ist fremd.
Da ist der Krieg im Element!
Ihr Dichter, Denker oder Pfaffen,
sprecht nach dem Krieg, ihr alten Affen